Weiter am „novum castrum“ forschen

Liebenauer Heimatverein lud per Radtour zur einstigen mittelalterlichen „Neuen Burg“ in die Wesermarsch zwischen Liebenau und Wellie ein.

Obwohl während der Corona-Pandemie ein Großteil der Veranstaltungen des Liebenauer Heimatvereins ausfallen oder arg reduziert werden musste, konnte die traditionelle Radtour des Vereins im Vorjahr durch das einst militärisch genutzte Gelände der Industrie-Verwaltungs-Gesellschaft (IVG) und nun vor wenigen Tagen bei herrlichem Sonnenwetter durch die Wesermarsch zwischen Liebenau und Wellie zu der seit Jahrhunderten verschwundenen mittelalterlichen Burganlage „Burg Neuhaus“ ausgerichtet werden.

Knapp 60 Mitglieder ließen sich vor Ort von Peter Krowicky, dem kommissarischen Vorsitzenden des Heimatvereins, über Details der auch vielen Liebenauern unbekannten einstigen Burganlage informieren.

Burg Neuhaus ist eine Anlage des 13./14. Jahrhunderts, von der fast nichts blieb – jedenfalls keine deutlich sichtbaren obertägigen Spuren. Dabei war sie für ein Jahrhundert eine feste Größe unter anderem als Verwaltungssitz, als Zollstation für den Schiffsverkehr auf der Weser sowie als militärischer Posten zur Grenzbefestigung und damit ein wichtiger historischer Platz an der Mittelweser, berichtete Krowicky.

Der Bischof von Minden hatte die Anlage an strategisch günstiger Stelle nahe der Weser und am Nordrand seiner Einflusszone im Jahr 1241/1242 als „novum castrum“ errichtet. Die „Neue Burg“, wie sie in Urkunden genannt wird, war eine sogenannte Niederungsburg, die ihren Schutz aus mit Wasser gefüllten Gräben und möglicherweise einem künstlichen Burghügel erhielt. Wie die bisherige Forschung ergab, wurde die Burg wohl im Jahr 1335 erobert und aufgegeben. Über die genauen Umstände gibt es keine eindeutigen Quellen, sagte Krowicky. Noch im 19. Jahrhundert sollen Trümmerteile der Burg zu sehen gewesen sein.

Dort, wo sich einst die Mauern des Baus erhoben, ist heute ein Acker. Auf einer Tafel am Weg davor ist erklärt, dass durch die landwirtschaftliche Nutzung der archäologischen Fundstätte immer wieder Teile der zerstörten Burganlage aus dem Boden an die Oberfläche gelangen.

So wurden dort unter anderem – ganz ohne Ausgrabungen – alte Schlüssel, Eisenpfeile, Türscharniere, Ketten, Hufeisen, Steigbügel oder bronzene Schnallen gefunden. Permanent war dort offenbar eine Mannschaft stationiert gewesen. Zudem waren Burgen in der Zeit auch wirtschaftliche Zentren. Im Laufe der Jahrhunderte geriet die mittelalterliche Anlage mehr und mehr in Vergessenheit. Es ist bekannt, dass die begehrten Sandsteine von Burgen anderweitig als Baumaterial wiederverwendet wurden. In Liebenau ist seit langer Zeit zu hören, dass Teile der einstigen Feldstein-Befestigungen in Fundament und Mauerwerk der Liebenauer Sankt-Laurentius-Kirche verbaut worden sein sollen. „Um all dies und noch mehr über die einstige mittelalterliche Burganlage zu erfahren, sollte die Forschung an Ort und Stelle auf jeden Fall intensiviert werden“, forderte Peter Krowicky.

Nach dem Ausflug in die mittelalterliche Vergangenheit der Liebenauer Geschichte ging es während der sommerlichen Radtour aktuell weiter nach Wellie, wo fleißige Helfer am waldigen Ortsrand eine Kaffee- und Kuchenstation zur Stärkung der Radler aufgebaut hatten. Über Spelzhausen erreichte die Kolonne schließlich das Heimathaus „Witten Hus“, hinter dem der Heimatverein einmal mehr zum unfallfreien Abschluss der jährlichen Radtour zu einem Grillabend einlud.

Aus DIE HARKE, Fotos Sommerfeld