Verlauf der „Elbe-Lippe-Leitung“ steht fest

Die bestehende 380-kV-Stromtrasse parallel zur Leitung Stade-Landesbergen wird auch aufgerüstet

Wer am Mittwochnachmittag ins Gasthaus Steimke nach Asendorf gekommen war, um vom Netzbetreiber Tennet Informationen zum neuen Stromtrassen-Projekt „Elbe-Lippe-Leitung Nord“ zu erhalten, hatte Pech: Der sogenannte „Infomarkt“ war kurzfristig aufgrund der angespannten Corona-Lage abgesagt worden. Einige betroffene Bürger aus dem Bereich zwischen Mehringen und Steyerberg hatten ihre Einladung sogar erst am selben Tag im Briefkasten vorgefunden. Nun sollen die Informationen online über www.tennet.eu verbreitet werden; ein analoger Infomarkt sei für April geplant.

Thema dieser allerersten Infoveranstaltung sollte die Netzverstärkung, sprich: der Ersatzneubau der 380-kV-Leitung zwischen Dollern und Ovenstädt sein. Die vorhandene 380-kV-Leitung soll in Zukunft statt 2000 Ampere das Doppelte, also 4000 Ampere Strom transportieren können. Sie verläuft im hiesigen Raum weitgehend parallel zur Leitung Stade-Landesbergen, für die die Planung zur Netzverstärkung von 220 kV auf 380 kV schon weit fortgeschritten ist. Auch diese zweite Bestandsleitung verläuft im nördlichen Bereich des Landkreises Nienburg zunächst durch die Samtgemeinde Grafschaft Hoya, quert von Warpe aus die Bundesstraße 6 nördlich von Wietzen und verläuft weiter über Pennigsehl und Steyerberg an Landesbergen vorbei und geht weiter nach Süden in Richtung Ovenstädt. Im Bundesland Nordrhein-Westfahlen trägt das Projekt dann die Bezeichnung „Elbe-Lippe-Leitung Süd“.

Nahezu zeitgleich wird nun die Planung für beide im hiesigen Raum vorhandenen Leitungen in der vorhandenen Trasse angestrebt. Jedoch werden die Planungen weder gebündelt noch gemeinsam betrachtet. Tennets Referentin für Bürgerbeteiligung, Renate Gaus, verweist lediglich darauf, dass die bereits für die Leitung Stade-Landesbergen eingegangenen Anregungen und Bedenken ja erfasst sind und im Wesentlichen auch für das neue Projekt gelten würden. Der Trassenneubau Stade-Landesbergen sollte ursprünglich in besonders kritischen Abschnitten, wo die Bestandsleitung zu nah an bestehender Wohnbebauung verläuft – beispielsweise nördlich von Wietzen –, als Erdkabel verlegt werden. Sie wird an dieser Stelle nun aber doch als Freileitung neu gebaut. Freileitungen sind erheblich kostengünstiger als Erdkabel.

Die jetzt in die Planung aufgenommene 380-kV-Leitung Elbe-Lippe Nord verläuft derzeit sogar noch ein paar hundert Meter weiter südlich und rückt damit auf bis zu 80 Metern an die geschlossene Ortschaft Wietzen heran. Im Ortsteil Holte überspannt sie sogar einige Häuser. Zulässig wären aber nur 400 Meter Entfernung zu geschlossenen Ortschaften und möglichst nicht weniger als 200 Meter zu einzelnen Häusern. Wie in solch kritischen Lagen die vorgesehenen Abstände zur Wohnbebauung eingehalten werden können, dazu sagte Renate Gaus auf HARKE-Nachfrage: „Wir stehen noch ganz am Anfang der Planung. Für diese Leitung ist vom Gesetzgeber her nicht einmal Erdkabel vorgesehen. Was aber eher nicht mehr gehen wird, ist, dass die Stromtrasse direkt Häuser überspannt.“

Fakt ist jedoch auch, dass diese Leitung im beschleunigten Verfahren gebaut werden soll: Ein Raumordnungsverfahren entfällt. Erst in diesem Jahr hat die Bundesregierung die Bestandsleitung 380 kV (offizielle Bezeichnung Vorhaben 57 in der Anlage I des Bundesbedarfsplangesetzes) zur Planung für eine Ertüchtigung beauftragt – zusammen mit einer ganzen Reihe anderer Projekte, so Tennet. Die mehrere Bundesländer übergreifende Planung hat im Bundesbedarfsplanungsgesetz die Kennzeichnung „G“ erhalten. Mit der Kennzeichnung G werden Maßnahmen dargestellt, die aufgrund ihrer besonderen Eilbedürftigkeit ohne Bundesfachplanung zu planen sind.

Geplantes Inbetriebnahmedatum ist laut Tennet 2032/33. Aktuell bereitet der Netzbetreiber gerade die Ausschreibung der Planung vor. Erst wenn die Planungsfirmen vertraglich gebunden sind und das Team für die Planung zusammengestellt ist, wird es mit der eigentlichen Planung losgehen, sagt Renate Gaus.

Im Bundesnetzwegeplan 2035 war die Inbetriebnahme sogar schon für das Jahr 2030 anvisiert, darauf hatte Matthias Sonnwaldt, bisher allgemeiner Stellvertreter der früheren Samtgemeindebürgermeisterin Marklohes, bereits vor längerem hingewiesen. Er hatte auch bei mehreren Erörterungen mit Tennet aufgezeigt, dass es wünschenswert sei, bei der Planung des Ersatzneubaues für die 220-kV-Leitung eine Bündelung und gemeinsame Betrachtung insbesondere in den besonders kritischen Streckenbereichen vorzunehmen – was nicht geschehen sei.

Grundsatz sei, dass immer angestrebt werde, in der vorhandenen Trassenführung zu bauen. Allerdings hätte man unter Umständen auch einen Korridor von bis zu fünf Kilometern Breite für Trassenverlegungen zur Verfügung, hieß es am Mittwoch von Seiten der Tennet-Mitarbeiter.

„Im Rahmen des Verfahrens wird es zahlreiche Info-Veranstaltungen sowie Beteiligungsmöglichkeiten geben“, verspricht Gaus. Vorerst werde unter anderem auch geprüft, ob die Masten der Bestandsleitung möglicherweise auch mehr oder dickere Kabel tragen könnten, um die Stromleitungskapazität verdoppeln zu können. „Wir gucken zunächst, wie tragfähig die Masten sind“, so Gaus. Und erst, wenn die Leitung Stade-Landesbergen fertig sei, könne das neue Projekt in Angriff genommen werden: „Man kann nicht beide Leitungen gleichzeitig bauen.“

In der Netzplanerischen Begründung des Projektes heißt es: „Die bestehende 380-kV-Leitung von Dollern über Landesbergen nach Ovenstädt ist ein wesentlicher Transportkanal von Nord nach Süd. Bei Ausfall eines Stromkreises ist der parallele Stromkreis unzulässig belastet. Deshalb muss die Stromtragfähigkeit der Leitung erhöht werden.“

www.tennet.eu

Aus DIE HARKE, Foto Tennet