NABU zeigt, wo in Europa Wölfe leben

Zum Tag des Wolfes am 30. April bringt der NABU eine aktuelle interaktive Karte zu Wolfsvorkommen heraus

 

Hannover, Berlin – Zum Tag des Wolfes am 30. April veröffentlicht der NABU eine aktuelle interaktive Karte über Wolfsvorkommen in Europa. Neben der Karte bietet der NABU zu jedem Land eine Übersicht zu den dort wichtigsten Themen, die das Zusammenleben mit Wölfen betreffen. „Das Wolfsmanagement im Ausland wird in den Debatten um Wölfe oft als Argument genannt – sowohl pro als auch contra Wolf“, sagt NABU-Wolfsexpertin Marie Neuwald. „Das haben wir zum Anlass genommen, genau hinzuschauen: Wie geht es Wölfen in unseren Nachbarländern? Und wie geht die Politik mit ihnen um?“

Die NABU-Recherche zeigt: Auch wenn fast überall der Bestand an Wölfen zahlenmäßig steigt, spricht das allein nicht immer für einen günstigen Erhaltungszustand. Die Apennin-Population in Italien beispielsweise hat mit Hybridisierung von Wölfen und Hunden zu kämpfen. In der Toskana sind bis zu 30 Prozent des Wolfsbestandes Hybriden. Nachdem in den 1960er Jahren Wölfe in Europa fast ausgerottet waren, gehen die Wölfe in Spanien, wie die meisten heutigen Populationen, auf nur sehr wenige Tiere zurück. Da die iberische Population größtenteils isoliert ist, es also kaum Zuwanderer aus anderen Gebieten gibt, ist ihre genetische Vielfalt beschränkt, auch wenn sie zahlenmäßig mit geschätzt 290 Rudeln gut dasteht. 2021 wurde in Spanien die Wolfsjagd verboten – ein großer Erfolg für den Artenschutz. Ähnlich in Polen: Dort wäre rechtlich gesehen eine Regulierung des Wolfsbestandes unter strengen Auflagen möglich. Das Land hat sich jedoch dagegen entschieden – es gibt dort keine Bejagung von Wölfen. Neuwald: „Das zeigt: Nur weil es viele Wölfe gibt, besteht kein Automatismus, diese auch zu bejagen.“

Andere Länder wie Schweden und Finnland genehmigen Lizenzjagden auf Wölfe, obwohl diese unter strengem Schutz stehen. Das führte jedoch schon mehrfach zu Urteilen der EU, die auf die strenge Einhaltung der Schutzvorschriften pocht. Neuwald: „Diese Länder als Vorbild zu nehmen, ist für Deutschland nicht ratsam, wenn es kein Vertragsverletzungsverfahren riskieren möchte.“

Auch abseits der juristischen Ebene kritisiert der NABU die Bestandsreduzierung der skandinavischen und karelischen Population: Die skandinavische Population gilt als isoliert, weil es kaum ein Wolf von Südfinnland bis nach Mittelschweden schafft und so frisches Genmaterial in die Population einbringen könnte. Der Weg führt durch die Gebiete der Rentierwirtschaft, wo Wölfe verhältnismäßig schnell zum Abschuss freigegeben werden. Der Inzuchtkoeffizient der schwedischen Wölfe liegt bei 0,23 – was fast dem einer Verpaarung von Geschwistern gleicht. Neuwald: „Eine genetisch so lädierte Population ist weniger resilient gegenüber Umweltänderungen und Krankheiten. Diese auch noch zu bejagen, ist aus biologischer Sicht fatal. Hinzu kommt, dass in fast allen Ländern hohe Verluste durch illegalen Abschuss von Wölfen nachgewiesen oder zumindest vermutet werden.“

Allen europäischen Ländern ist gemein, dass Wölfe per Gesetz geschützt sind und ihre Anwesenheit je nach Region unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringt. Herdenschutz ist überall nötig, wo es Weidetierhaltung gibt. Herdenschutzsysteme müssen an die Gegebenheiten vor Ort angepasst eingesetzt werden. Die finanzielle staatliche Förderung unterscheidet sich sehr stark von Land zu Land. In einigen Ländern wird eher auf Entschädigungszahlungen gesetzt als auf die Verhinderung von Rissen.

Der NABU ist überzeugt, dass der Schlüssel für ein konfliktarmes Zusammenleben in der Prävention von Schäden liegt. Neuwald: „Auch in Deutschland ist es nötig, über weitere Verbesserungen des Fördersystems zu diskutieren. So wird zum Beispiel noch nicht von allen Bundesländern die Möglichkeit ausgeschöpft, auch den Unterhalt und Arbeitsaufwand von Herdenschutz zu finanzieren. Dies ist dringend nötig, um den oft ohnehin schon förderrechtlich schlechter gestellten Weidebetrieben ein zukunftssicheres Arbeiten zu ermöglichen.“

Der Debatte um eine Regulierung des Wolfsbestandes in Deutschland erteilt der NABU eine klare Absage. „Die Zahl der Weidetierrisse hängt nicht vorrangig an der Zahl der vorhandenen Wölfe, sondern vor allem von der Qualität des Herdenschutzes ab“, betont Neuwald. „Länder wie Frankreich verzeichnen trotz pauschaler Abschüsse hohe Risszahlen und können somit nicht als Vorbild dienen.“ Der NABU plädiert für einen engen fachlichen Austausch zwischen den europäischen Nachbarländern, um voneinander zu lernen und Wissen von Best-Practice-Projekten weiterzugeben. Das hochwertige Wolfsmonitoring in Deutschland darf nicht als Selbstverständlichkeit angesehen, sondern muss weiter gefördert werden. An das neu eingerichtete Bundeszentrum Weidetiere und Wölfe (BZWW) appelliert der NABU, zum Thema Herdenschutz alle Interessengruppen an einen Tisch zu bringen. Neuwald: „Das Zusammenleben mit Wölfen ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Akzeptanz kann nur durch fachliches Wissen und akzeptable Lösungen im Miteinander unter Einbeziehung aller betroffenen Gruppen erreicht werden.“

Situation in Niedersachsen
Auch für Niedersachsen bestätigt Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, „dass der Fokus weiter auf Herdenschutz gelegt werden muss, denn Nutztierrisse gehen in Regionen mit Herdenschutz nachweislich zurück“. Darüber hinaus zeigt eine Feldstudie des NABU-Projektes „Herdenschutz Niedersachsen“, dass dauerhaft installierte wolfsabweisende Zäune für kleine Säugetiere wie Feldhasen und Rehe durchlässig sind. Wolf und Wildschwein queren diese Art von Zaun nicht. „Für das Wolfsmanagement sei relevant, dass Weidetierhalterinnen und -halter finanziell und materiell unterstützt werden, eine Bejagung von Wölfen – wie vom Umweltministerium gefordert – stellt keine Lösung dar“, so Dr. Buschmann. Mit finanzieller Unterstützung durch den Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. und den WWF Deutschland hat der NABU Niedersachsen daher im Dezember 2021 beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg Klage gegen die aus seiner Sicht rechtswidrige Wolfsverordnung in Niedersachsen eingereicht.
Auch bezüglich der jüngsten Zustimmung des Agrarausschusses, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, positioniert sich der NABU weiterhin deutlich gegen diesen Schritt: „Der Wolf ist und bleibt durch internationale und nationale Gesetze streng geschützt und die Aufnahme des Wolfes ins Jagdgesetz wird daran nichts ändern“, so Dr. Buschmann, „denn Ausnahmegenehmigungen bedürfen auch dann immer einer konkreten Begründung.“ Zudem können weitere Abschüsse die Situationen vor Ort durch Nachrücken anderer Wölfe sogar noch verschlimmern und vermehrt Nutztierrisse provozieren. Die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ist wirkungslos, führt nicht zu besserem Herdenschutz und ist darüber hinaus rechtlich fragwürdig.
In Niedersachsen leben laut Landesjägerschaft aktuell offiziell 38 Wolfsrudel, 2 Wolfspaare und 4 residente Einzelwölfe.

Europa-Karte zur Verbreitung von Wölfen: www.nabu.de/tdw2022

Mehr Infos zum Wolf: www.NABU.de/woelfe   

Foto NABU/Heiko Anders