NABU: Niedersachsens Initiative zur Beschleunigung und Vereinfachung von Planungsvorhaben verfolgt ausschließlich wirtschaftliche Ziele – Natur- und Klimaschutz bleiben weitgehend außen vor – mit verheerenden Folgen

Hannover – Die Herausforderungen sind groß: Deutschlands Energieversorgung soll weiterhin sicher und bezahlbar bleiben, während gleichzeitig die Klimaziele erreicht werden müssen. Um dies zu erreichen, hat die Bundesregierung eine Handlungsempfehlung in Form eines sogenannten Pakts beschlossen, der den massiven Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen soll. Niedersachsen geht mit dem landeseigenen Programm „Vereinfachungs- und Beschleunigungsmaßnahmen“ noch einen Schritt weiter. Am 20. August informierten die Staatskanzlei, Ministerpräsident Stephan Weil, Kultusministerin Julia Willie Hamburg, Umweltminister Christian Meyer und Wirtschaftsminister Olaf Lies über die bisherigen Erfolge und den aktuellen Status dieser Initiative.

NABU fordert Ausgleich zwischen Entbürokratisierung und Naturschutz

Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, erklärt: „Wir befürworten ausdrücklich die Entbürokratisierung und damit die Beschleunigung von Planungsvorhaben. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Umwelt geschehen. Angesichts der bereits sichtbaren Natur- und Klimakrise wäre eine Schwächung des Naturschutzes ein Brandbeschleuniger für diese Krisen. Die Energiewende voranzutreiben ist wichtig, aber ihr vorrangiges Ziel ist die Reduzierung unseres CO2-Ausstoßes. Natürliche Klimaschutzmaßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, die Renaturierung von Wäldern und Auen sowie der Aufbau extensiver Weidesysteme haben das Potenzial, nicht nur den CO2-Ausstoß erheblich zu verringern, sondern auch der Atmosphäre CO2 zu entziehen und gleichzeitig die Artenvielfalt zu steigern. Hier müssen dringend Beschleunigungsmaßnahmen ergriffen werden, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. In der Initiative der Landesregierung ist jedoch keine Rede von einer Beschleunigung solcher Maßnahmen zum Schutz der Natur und des Klimas, sondern ausschließlich von Maßnahmen zur Steigerung des Wirtschaftswachstums.“

Kritik an mangelnder Berücksichtigung von Naturschutzvorschlägen

Der NABU Niedersachsen hatte der Landesregierung bereits in der Vergangenheit Vorschläge zur naturverträglichen Beschleunigung der Energiewendeverfahren unterbreitet. Einige dieser Vorschläge, wie die personelle Aufstockung der antragsbearbeitenden Behörden und eine verstärkte Digitalisierung, sollen nun umgesetzt werden. Andere, wie die Verbesserung der Datengrundlage, sind jedoch noch nicht berücksichtigt. Artenschutzbelange haben bisher nur in geringem Maße zur Verlangsamung des Ausbaus beigetragen, wurden aber dennoch von der Bundesregierung stark gekürzt. Selbst bei weiteren Beschleunigungsverfahren, etwa im Straßenbau, wurden Umweltprüfungen deutlich reduziert. Dass sich die Politik, sei es auf Bundes- oder Landesebene, für solche Maßnahmen feiert, erschüttert den NABU Niedersachsen zutiefst, da dies den drohenden Kollaps unserer Ökosysteme weiter befördert. Überall in Niedersachsen werden derzeit Freiflächen-Photovoltaik- und Windkraftanlagen geplant, und zwar weit über das notwendige Maß hinaus – selbst in wichtigen Naturschutzflächen von nationaler und internationaler Bedeutung, in Landschaftsschutzgebieten und in für den Klimaschutz so wichtigen Waldgebieten. Auf die Vorschläge des NABU Niedersachsen zur Vereinfachung von Naturschutz- und natürlichen Klimaschutzmaßnahmen hat die Landesregierung bislang nicht reagiert.

Dr. Holger Buschmann fordert daher eindringlich: „Die Beschleunigung der Verfahren muss insbesondere im Natur- und natürlichen Klimaschutz stattfinden, damit unsere Lebensgrundlagen für uns und die kommenden Generationen erhalten bleiben. Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern bereits zwölf, vielleicht sogar noch später. Dass trotz dieser Dringlichkeit die Beschleunigung solcher Projekte mit keinem Wort erwähnt wird, sondern es offensichtlich nur um wirtschaftliche Interessen geht, zeigt, dass die Landesregierung die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat. Wirtschaft ist natürlich wichtig, aber ohne Ökosysteme wird es keine Wirtschaft mehr geben“.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die geplante Vereinfachung bei der Beantragung und Abwicklung von Projektförderungen einen indirekten positiven Effekt auf die Umwelt haben könnte: Mehr finanzielle Mittel könnten für konkrete Maßnahmen und weniger für Verwaltungstätigkeiten aufgewendet werden. Konkrete Maßnahmen wurden von der Landesregierung jedoch bisher nicht umgesetzt, und das Thema soll weiter diskutiert werden. Der NABU Niedersachsen fordert hier deutlich mehr Tempo.

Text und Foto: NABU NIEDERSACHSEN