Vermeintlich hilflose Vogelkinder bitte nicht aufnehmen!
Der NABU Niedersachsen appelliert an die Bevölkerung, vermeintlich hilflose Vogelkinder in der freien Natur zu belassen. Warum menschliche Hilfe oft mehr schadet als nützt, erklärt die Leiterin des NABU-Artenschutzzentrums.
Die Brutsaison der Vögel ist in vollem Gange: Mittlerweile sind zahlreiche Jungvögel schon in der sogenannten Ästlingsphase. Das bedeutet, sie bewegen sich teilweise noch unbeholfen und nicht ganz flugfähig auf dem Boden oder im Gebüsch. Diese Unbeholfenheit löst bei vielen Menschen den Wusch aus, diesen Tieren zu helfen. Im NABU-Artenschutzzentrum und bei der NABU-Naturtelefon stehen deshalb die Telefone nicht mehr still.
Doch liegt tatsächlich ein Notfall vor?
Betrachtet man die Situation vermeintlich verlassener Jungvögel genauer, kommt sehr selten ein Notfall in Betracht: Vielfach sieht man die Vogeleltern nicht, da sie sich an der Anwesenheit des beobachtenden Menschen stören oder auch noch andere Jungtiere zu versorgen haben. Eine Strategie der Eltern kann es auch sein, die Jungen im Nest nicht mehr zu füttern, damit diese das Nest endlich verlassen.
Natürlich kann einem Elternteil etwas zustoßen, dann steht aber noch der Partner zur Jungenversorgung zur Verfügung.
Deshalb rät die Leiterin des NABU-Artenschutzzentrums, Bärbel Rogoschik dringend davon ab, vermeintlich verlassene Jungvögel aufzusammeln.
„Aus falsch verstandener Tierliebe werden leider zahlreiche Ästlinge eingesammelt und zu uns gebracht“, berichtet die Biologin. „Doch Ästlinge sind so stark auf ihre Vogeleltern geprägt, dass sie sich von Menschen fast gar nicht mehr füttern lassen. Das kann für das eingesammelte Tier den Tod bedeuten!“
Vorsichtig ist auch bei zweifelhaften Informationen in Internetforen geboten. Dort wird oftmals die sofortige Mitnahme, der Hautkontakt oder falsches Futter als erste Hilfe propagiert. Auch davon rät Rogoschik dringend ab. „Viele dieser Tiere, die so behandelt wurden, landen über kurz oder lang bei uns in Leiferde – in einem nicht mehr ganz so guten Zustand.“
Waldkauzästling. – Foto: Jens Scharon
Nur wenn ein Tier augenscheinlich verletzt ist, sollte man ihm helfen, das erlaubt auch das Tierschutzgesetz.
Fazit: Entfernt man ein Wildtier aus seinem angestammten Lebensraum, muss man sich schon hundertprozentig sicher sein, das Richtige zu tun, denn sonst verschlechtert man in der Regel die Situation des Wildtieres. Die beste Hilfe für alle Tierkinder ist immer noch ein naturnahes Umfeld, in dem sie auch bei ihren ersten Ausflügen ausreichend Schutz finden.
Übrigens: Wer Bärbel Rogoschik und ihr Team bei der Arbeit mit den Pfleglingen unterstützen möchte, kann eine Tierpatenschaft übernehmen. Diese kann per E-Mail beantragt werden. Alle Infos dazu unter: https://www.nabuzentrum-leiferde.de/helfen/.