Infektionen bereiten Unbehagen

Schulleiter Holger Salomo berichtet stellvertretend über aktuelle Corona-Situation

In absoluten Zahlen bestehe kein Grund zur Beunruhigung, aber der Trend an bestätigten Infektionen der vergangenen 14 Tage bereite ihm Unbehagen. „Vor den nächsten drei, vier Wochen graust es mir, weil wir nicht wissen, aber ahnen, wohin die Reise geht“, sagt Holger Salomo. DIE HARKE sprach stellvertretend mit dem Leiter der Oberschule Marklohe über die aktuelle Corona-Situation an den Bildungseinrichtungen im Landkreis Nienburg.

Die OBS Marklohe besuchen derzeit gut 400 Mädchen und Jungen von Klasse fünf bis zehn. Waren es seit dem 2. September lediglich zehn Covid-19-Fälle innerhalb der Schülerschaft, verdreifachte sich diese Zahl nach den Weihnachtsferien. „Das ist extrem belastend“, sagt Holger Salomo.

Neben der Unsicherheit wegen der festgestellten Infektionen würden die Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit ohnehin viel Zeit inklusive des zusätzlichen Organisationsaufwands etwa zur Bestellung, Verteilung und Kontrolle der Tests-Kits einnehmen. „Schon zu Weihnachten musste ich feststellen, dass ich unser Kollegium selten so fix und fertig erlebt habe.“ Die weiterhin hohe Zahl an Abordnungen an andere Schulen und das seit Jahren dauerhafte Fehlen von Förderschullehrkräften, die für das Gelingen der Inklusion nötig wären, tun da ihr Übriges – dies sind aktuell keine Probleme, die diskutiert werden.

Der Schulbetrieb läuft ungeachtet der Corona-Infektionen normal weiter, da das Gesundheitsamt momentan keine kompletten Klassen oder Kurse mehr in Quarantäne schickt und die Kontaktverfolgung vorübergehend eingestellt hat. „Da ist das richtige Tragen der FFP2-Masken wirklich entscheidend“, sagt Holger Salomo und verweist auf die aktuell dazu veröffentlichten Studien. Die Selbsttests böten in seinen Augen nur eine subjektive Sicherheit, „weil wir darauf vertrauen müssen, dass alles gewissenhaft durchgeführt wurde“. Wichtig seien sie allemal. Ergänzend kommen in Marklohe noch Luftreiniger für das Sekretariat, CO2-Ampeln und Schutzwände aus Plexiglas in den Klassenräumen zum Einsatz, die größtenteils über den Förderverein und dank Sponsoren angeschafft wurden. Dazu existiert selbstredend ein Abstands-, Lüftungs- und Hygienekonzept. „Da wird schon einmal mit Jacke, Schal und Handschuhen gesessen. Bei allem machen wir uns aber nichts vor: Es wird nie einen hundertprozentigen Schutz geben.“

Holger Salomo ist Mitglied im „Nienburger Netz“, in dem sich regelmäßig mehrere Schulen im Landkreis untereinander austauschen und unterstützen. Aus Gesprächen mit anderen Schulleitungen weiß er, dass die Infektionszahlen an der OBS Marklohe noch gering ausfallen, „vor allem gegenüber den Grundschulen, wo nur wenige Kinder geschützt sind“. An seiner Oberschule seien alle erwachsenen Beschäftigten geimpft. Von den 400 Schülerinnen und Schülern wären 170 geimpft oder genesen.

Großes Unverständnis herrsche in dieser pandemischen Situation, dass ungeachtet aller Regeln, die an den Schulen gelten und eingehalten würden, die Hin- und Rückfahrt weiterhin in vollen Bussen bewältigt werden müsse. „80 Prozent unserer Schüler und Schülerinnen sind auf den Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen“, sagt der Schulleiter der Oberschule Marklohe. Der Ratschlag aus dem Kultusministerium, die Unterrichtszeiten zu verändern und alles zu entzerren, ließe sich nicht umsetzen.

„Schulpolitik wird in meinen Augen oft aus der Stadt für die Stadt entwickelt. Ich finde, in einem Flächenland wie Niedersachsen sollte da besser differenziert und geschaut – und auf die Verantwortlichen vor Ort vertraut werden“, sagt Holger Salomo. Die Erfahrung in der fast zweijährigen Corona-Zeit hätte seiner Beobachtung nach gezeigt, dass Wechselunterricht (ein Teil der Klasse bekommt Präsenzunterricht, der andere arbeitet zu Hause) ein praktikables Konzept zur Kontaktminimierung und guter Wissensvermittlung sei. „Wir haben gerade aus der Schülerschaft dazu positives Feedback bekommen.“ Eine Notbetreuung müsse selbstredend gewährleistet sein, dazu tauge dieses Modell seiner Ansicht nach erst ab Klasse sieben oder acht.

„Es wird immer von der eigenverantwortlichen Schule gesprochen. In diesem Fall würde ich das gern für uns so entscheiden und auf die Halbgruppenstärke setzen. Die Infektionen verlaufen gerade meist milde, aber uns liegen dazu keine Langzeiterkenntnisse vor“, sagt Holger Salomo.

Darüber hinaus gerieten die Fähigkeiten des Lernens zu Hause, die in der zukünftigen Arbeitswelt mit mobilem Arbeiten eine immer größere Rolle spielen würden, ansonsten wieder ins Hintertreffen. Der Grund, alle Kinder und Jugendlichen weiterhin gleichzeitig in die Schule zu schicken, liege wohl darin, dass „die Eltern arbeitsfähig bleiben sollen, aber das sagt dann auch niemand ehrlich“.

Die Schüler bewältigen den Corona-Schul-Alltag nach Einschätzung von Salomo weniger aufgeregt als Erwachsene, wenngleich Sozialkompetenzen zuletzt gelitten hätten. „Ich bin mir sicher, dass sie am Ende ihrer Schulzeit den Bildungsstandard haben, den sie benötigen“, sagt der 63-Jährige. Das erfordere aber Selbstdisziplin und -organisation. Gefährdet seien aber diejenigen, die keine oder zu wenig Unterstützung von ihren Eltern bekämen. Auch hier bestehe kein Grund zur Beunruhigung, aber etwas Unbehagen begleite diese Prognose schon.

Aus DIE HARKE