NABU: Trübe Aussichten – warum Gewässerschutz dringend notwendig ist

Rund 97 % der Gewässer in Niedersachsen in besorgniserregendem Zustand!

Hannover – Angesichts der alarmierenden Warnungen der Europäischen Umweltagentur, dass sich nur etwa 37 Prozent der Gewässer in gutem Zustand befinden, fordert der NABU Niedersachsen einen „umfassenden Gewässerschutz auch in unserem an Gewässern reichen Bundesland zwischen Küste und Bergland“. Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen – des größten Naturschutzverbandes im Bundesland mit über 130.000 Mitgliedern – betont: „Zwar konnten in den vergangenen Jahren durch ein Umdenken in Teilen von Politik und Verwaltung sowie Wasser- und Bodenverbänden Fortschritte im Gewässerschutz erzielt und durch den Niedersächsischen Weg einige Teilbereiche auf einen besseren Kurs gebracht werden. Dennoch sind viele Flüsse, Seen, Bäche und auch Kleingewässer wie Gräben weiterhin in einer schlechten Verfassung. In Niedersachsen befinden sich lediglich 3 % der Gewässer in einem guten Zustand.“

Gewässer als Lebensadern unserer Ökosysteme
Dr. Buschmann dazu: „Gewässer dürfen nicht allein nach chemisch-physikalischen Parametern beurteilt werden, auch wenn diese von hoher Bedeutung sind. Sie sind zu allererst auch Lebensräume, die es zu schützen gilt. In ihnen leben oft hoch spezialisierte Tiere und Pflanzen, deren Fortbestand auch überlebenswichtig für uns Menschen ist, denn sie sind Teil ökologischer Komplexe. Sie sorgen für Gleichgewicht in den Gewässern und sind Bestandteile der Nahrungskette – alles ist mit allem verbunden. Jeder Eingriff in Gewässer hat daher Folgen. „Wir sehen an vielen Stellen in Niedersachsen, dass die Sünden der Vergangenheit noch nicht getilgt sind: Immer noch sind viel zu viele Flüsse und Bäche begradigt, ausgebaut zu reinen Wasserrinnen mit hoher Fließgeschwindigkeit und ohne höhere Begleitvegetation von Bäumen und Sträuchern, oftmals sogar zu Rinnen aus Beton degradiert. Andere sind in Rohre gefasst worden, ihrer natürlichen Schleifen beraubt und damit zu toten Wasserleitungen geworden, deren einstige Artenfülle aus Kleinfischen, die in Niedersachsen besonders stark bedroht sind, Amphibien, Insekten und anderen Tieren dem reinen Wasserabfluss gewichen ist. Dies hat den zerstörerischen Nebeneffekt, dass sie anliegende ehemals feuchte Bereiche entwässern und ebenfalls für die Natur entwerten“, mahnt der NABU-Landesvorsitzende.

Gewässerschutz durch Renaturierung: NABU Niedersachsen setzt auf Kooperationen
Gleichzeitig begrüßt Buschmann, dass es „gerade in den vergangenen Jahren in Zusammenarbeit mit Wasser- und Bodenverbänden, Anglern, Behörden und Landwirten mancherorts Hoffnung stiftende Projekte gegeben hat, die Gewässer durch Renaturierungsmaßnahmen wieder zu Lebensräumen gemacht haben“. Diesen Weg der Kooperationen werde der NABU Niedersachsen weitergehen. Dr. Buschmann hofft, dass der Fokus der Anstrengungen zum Gewässerschutz, gerade auch im Hinblick auf die Sicherung der Artenvielfalt, nicht zu sehr auf Großgewässer gerichtet werde. Insbesondere den Kleingewässern sollte Beachtung geschenkt werden, darunter auch temporären, also nicht ganzjährig existierenden Gewässern, die für manche Amphibien und Insekten von ungeheurer Bedeutung seien. Außerdem seien viele Gräben leider verrohrt oder zugeschüttet worden. „Hier kann und muss ebenfalls angesetzt werden“, betont der NABU-Landesvorsitzende: „Davon profitiert auch der Siedlungsraum, z.B. als Hochwasserschutz bei Starkregenereignissen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass wieder viel mehr Kinder Stichling und Elritze, Kaulquappe und Libelle am klaren Bach im Dorf und in der Stadt beobachten können und sich damit für die Natur im ihrem weiteren Leben begeistern können“, sagt Dr. Holger Buschmann, der als Kind selbst die Empathie zur Natur in seiner Heimat im Weserbergland auch an den Gräben und Bächen entdeckt hat.