Verein „Rauzwi – Lebendige Archäologie Mittelweser“ bereitet eine Ausstellung vor

Liebenau. Die Wände sind gestrichen, der Webstuhl steht. Dennoch haben Gundula Tessendorf und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter noch alle Hände voll zu tun bis zur Eröffnung der Ausstellung, die den Alltag der Menschen, die im 8. und 9. Jahrhundert nach Christus im Raum Liebenau – Steyerberg gelebt haben, anschaulich vor Augen führen soll. In der Langen Straße 29 direkt an der Ortsdurchfahrt von Liebenau (ehemals Textilhaus Binne) hat der Verein „Rauzwi – Lebendige Archäologie Mittelweser“ einen Raum angemietet.

Zu dem Webstuhl, den „Baumeister“ Volker Oberüber angefertigt hat, sollen sich noch ein Handkarren und vier Vitrinen gesellen. Den Handkarren will Volker Oberüber zusammen mit den Jugendlichen um Jugendpfleger Markus Sieling bauen, die Vitrinen für die Fundstücke stellt der Heimatverein Liebenau zur Verfügung. Ergänzt werden die Exponate durch eine Wand mit Illustrationen. Diese sollen dazu beitragen, sich besser vorstellen zu können, unter welchen Bedingungen die Menschen seinerzeit gelebt haben. Themenschwerpunkte sind Metall, Textil, Handel, Lebensraum Aue und Weser und Ernährung. Vorsitzende des Vereins Rauzwi ist die Geologin Gundula Tessendorf. Fasziniert von der Geschichte des altsächsischen Gräberfeldes an der Straße von Liebenau nach Steyerberg (Erläuterungen siehe unten) nutzt sie als ausgebildete Gästeführerin immer wieder die Chance, auch anderen Interessierten anschaulich vor Augen zu führen, wie die Menschen an der Mittelweser vor rund 1500 Jahren gelebt haben (siehe Meldung oben rechts). Als Schauplatz dient ihr das Freilichtgelände direkt neben dem Gräberfeld, das Mitglieder des Vereins mittlerweile käuflich erworben haben. Ein Pfostenspeicher, ein Grubenhaus und ein Lehmbackofen lassen die Vergangenheit an diesem Platz unweit der einstigen Lebensader Aue bereits lebendig werden. Weitere Projekte sind in Planung.

Betterplace.org Um diese Pläne realisieren zu können, hat Gundula Tessendorf auf der Spendenplattform betterplace.org mit dem Stichwort Rauzwi ein Spendenkonto eingerichtet.

Zum chronologischen Geschehen rund um das archäologisch bedeutsame Gräberfeld heißt es auf der Homepage des Vereins:

Ausgrabungen 1953 – 1989 Das altsächsische Gräberfeld Liebenau/Steyerberg hat in der archäologischen Fachwelt einen großen Namen. So war es ein Glücksfall, als 1953 auf dem Heidberg, einer Sanddüne zwischen Liebenau und Steyerberg, ein ausgedehntes Gräberfeld entdeckt wurde. Hier bestattete die umliegende Bevölkerung zwischen dem 4. und dem 9. Jahrhundert nach Christus ihre Angehörigen samt Grabbeigaben. Über dreißig Jahre lang, wenn auch mit Unterbrechungen, konnten bei Ausgrabungen des niedersächsischen Landesmuseums mehr als 500 Körper- und Brandgräber freigelegt und dokumentiert werden. Nur dank dieser akribischen archäologischen Forschung war es möglich, etwas über das Leben der damaligen Bewohner, die selbst keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterließen, zu erfahren. (Anmerkung der Redaktion: Ein großer Teil dieser Funde ist im Nienburger Museum zu sehen.)

 Ausgrabungen 2015 In Kooperation mit der Universität Göttingen konnte im Jahr 2015 die archäologische Forschung weitergehen. Jetzt galt es, in der Umgebung des Gräberfeldes nach Spuren altsächsischer Besiedlung zu suchen. Wo und wie wohnten die Menschen, die ihre letzte Ruhestätte auf dem Gräberfeld fanden? Bei dieser Lehrgrabung gelang es einer Gruppe von Studenten und Vereinsmitgliedern, einen ersten Hinweis auf den möglichen Lebensort freizulegen. Gefunden wurde eine Siedlung aus dem 8. bis 9. Jahrhundert nach Christus, zahlreiche Metallfunde, Keramikscherben und Schmuck kamen ans Tageslicht. Wegespuren und Pfostenlöcher damaliger Gebäude konnten identifiziert werden.

 Ausgrabungen 2017 – 2019 In einer Kooperation der Gemeinden Liebenau und Steyerberg mit dem Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen unter der Leitung des Archäologen Tobias Scholz wurden die Ausgrabungen 2017 weiter geführt. In mehrwöchigen Lehrgrabungen setzten Studenten und Vereinsmitglieder die Untersuchung der 2015 gefunden Siedlungsstätte fort. In der Zwischenzeit wurden neben den Wege- und Pfostenspuren noch zwei Grundrisse von Grubenhäusern entdeckt. Daneben kamen zerbrochene Siedlungskeramik und große Anteile Metallschlacke zutage. (Anmerkung der Redaktion: Diese Fundstücke befinden sich im Besitz des Vereins und sind bei der Ausstellung zu sehen.)

Info: Eröffnet wird die Ausstellung am Sonnabend, dem 17. September.

Aus DIE HARKE